22
Aug 11
Zuletzt aktualisiert am 02. November 2012
Drucken

Kambos

Ort

Kampos befindet sich 7 Kilometer südlich der Stadt Chios und umfasst ein Gebiet von 7 Kilometern Länge und nahezu 2 Kilometern Breite. Die wörtliche Übersetzung des Wortes Kambos ist "Ebene". Jedoch nimmt diese Begrifflichkeit längst nicht das auf, was die Gegend bietet: Prachtvoll liegt das einzigartige Ensemble von landwirtschaftlichen Siedlungen in der Ebene. Die Beschreibungen früher Geschichtsschreiber, vor allem aus dem 18. und 19. Jahrhundert, von Gütern und Obstgärten, ist enthusiastisch.

Villen hoher architektonischer Qualität und anhängende Wirtschaftsgebäude sind ebenbürtig in der Anzahl mit den Landgüter und ausgearbeiteter Wasserspeicher, gepflasterter Höfe, Brunnen und Zitrusfruchtgärten. Das Land ist geradezu bedeckt mit diesen Gärten, in denen Orangen, Mandarinen, Zitronen und Bitterorangen, von Mauern geschützt, wachsen. Fast wie Wälder scheinen diese Flächen da zu liegen. Jedes Gut besteht im Kern aus einem zentralen Haus erhabener Erscheinung, dessen beeindruckende Architektur von einer Reihe architektonischer Stile beeinflusst ist, die die Geschichte der Insel und ihre weit differenzierten Bauweisen jedweden Zeitalters kombiniert und zusammenfasst.

In den alten Häusern Kampos' sind Toreinfahrten nur eines der vielen Elemente des Baustils - sie sind Zeichen der Unabhängigkeit eines jeden Gutes. Sie führen normalerweise von der Straße auf den Hof, manchmal auch auf das Gehöft vor dem Haus. Sie sind wunderbar ausgeschmückt und beinhalten oft Ornamente, die die Besitzer als Statussymbol instrumentalisierten, indem sie ganz individuell und oft innovativ gestaltet wurden. Heute sind diese stolzen Einfahrten und die Steinmauern vom Verfall bedroht und die Gärten in Baufläche für neue Betonhäuser umgewandelt.

Hinter den hohen, depressiv dreinschauenden Wänden befand sich eine ganz andere Welt von wundervollen Gärten, komfortablen Häusern, mit Laub gefüllten Gassen und Blumenbeeten. Der farbige Stein aus Thimiana wurde als Bausubstanz für die Häuser genutzt, die eher dem klassischen als dem an Italien angelehnten Stil gleichen. Sie waren meist zwei- oder dreigeschossig, so dass die wichtigsten Räume einen uneingeschränkten Blick über die Baumkronen hinweg auf die Umgebung zuließen. Weite Treppen und eine reichliche Anzahl an Zimmern für jede Art von spezieller Nutzung machten diese Güter zu einem angenehmen Lebensmittelpunkt.

Im Laufe der Jahre haben unterschiedlichste Kulturen Chios beeinflusst, vor allem auch dadurch hervorgerufen, dass diese Insel als Verkehrsknotenpunkt zwischen den verschiedenen Kulturen und als Mittler zwischen Ost und West fungierte. Die Geschichte von Kampos, wechselnde Zivilisationen vor allem, spiegelt sich vor allem in seinen Gebäuden wieder, den Steinmauern und den Familienwappen aus Marmor, die über dem Eingang zu einem jeden Gut prangen. Deren Tradition geht bis in die byzantinische Epoche zurück. Ereignisse, die das Leben in Kampos beeinflussten - zu nennen sind die Eroberer auf der Insel, Genuaner und Türken, das Massaker von 1822 und das Erdbeben 1881 - folgten dieser Epoche zahlreich.

Trotz all dieser Katastrophen, Niederwerfungen und Veränderungen hat das Dorf es geschafft, seinen besonderen Charakter aus dem 14. Jahrhundert bis heute zu wahren. Der Reichtum von Kampos entstammt schon in der Genuesischen Epoche (1346 - 1566). Damals machten sich die Genuaner den Vorteil des hohen Vorkommens an Wasser zu Nutze und lehrten die Inselbewohner das intensive kultivieren ihrer Bäume. Die gesteigerte Produktion brachte den Reichtum ins Dorf. Bis heute wird einem diese Entwicklung aus dem 14. Jahrhundert noch gewahr, schaut man sich die schier unfassbare Zahl der historischen Gutbesitze - es sind sage und schreibe fast 200 - an. Jedes von ihnen hat ein prachtvolles Haus, Wirtschaftsgebäude, radgetriebene Brunnen, Zisternen, gepflasterte Höfe und Obstgärten.

Speziell byzantinische Architektur hat scheinbar den ältesten Einfluss auf die Gebäude von Kampos mit Ausnahme der Struktur, die als "Kamenos Pirgos" (= der gebrannte Turm) bekannt ist. Die populäre lokale Tradition glaubt daran, dass sie in den byzantinischen Zeitraum einzuordnen ist. Kein anderes Beispiel der Architektur dieser Epoche ist erhalten. Teile dieses Baustils sind jedoch in viele Gebäude eingeflossen, obwohl nach dem Abkommen von Nympheou im Jahre 1261 und nach der vollendeten Einnahme der Insel durch die Genuaner im Jahre 1346 die Architektur vor allem von deren Kultur beeinflusst wurde.

Nach der Ankunft der Genuaner kam nach und nach ein neuer Stil hinzu, der auch nach 1566, als die Türken die Vorherrschaft übernahmen, weiterentwickelt wurde. Auch der ottomanische Einfluss in diesen ausgeprägten Architektur-Mix darf nicht übersehen werden. Gleichzeitig kommt auch der Barockstil hinzu.

Der Großteil der katholischen Bevölkerung verließ die Insel nach der erfolglosen venezianischen Expedition 1694 und 1695. Dennoch blieben all die Elemente erhalten und breiteten sich gar weiter in den Westen aus. Auch der finanzielle Reichtum blieb in Kampos. Das 18. Jahrhundert gilt als Gipfel des Reichtums dieses Dorfes sowie der ganzen Insel. Die berühmtesten Merkmale der lokalen, traditionellen Zivilisation traten erst dann auf.  

Das Massaker von 1822 löschte nahezu die komplette Bevölkerung sowie die Häuser und Güter aus. Fustel de Coulanges, der Chios im Jahre 1856 besuchte, schrieb: "Die Türken verursachten diese Katastrophe nicht in einem Moment der Wut, sondern mit Kaltblütigkeit. Sie zerstörten ein Haus systematisch mit geduldiger Gewalt, um all das auszulöschen, was den Griechen am meisten wert war."

Nach 1822 gaben die, die übrig geblieben waren, alles dafür, den vorherigen Zustand wiederherzustellen und errichteten die Ruinen, die vor ihnen lagen, wieder zu dem, was Kampos vorher ausgemacht hatte. Trotz aller Anstrengungen ging ein Großteil dessen verloren. Den letzten schweren Stoß versetzte ihnen dann auch noch das katastrophale Erdbeben 1881, das die letzten Grundbesitzer enteignete, da sie ihre Güter verkaufen und verlassen mussten.

Aus diesem kurzen historischen Abriss mag vielleicht klar werden, dass von dieser reichen Region nur so wenige Gebäude übrig geblieben sind, die noch ihr ursprüngliches Erscheinungsbild haben.

Die damaligen Besitzer dieser Güter existieren nicht mehr, um jedwede Art von Informationen zu geben. Dennoch versucht die Kulturgesellschaft von Kampos, vereinzelt individuelle Bemühungen zu bewahren, die in der Region überlebt haben. Das sind einzelne Versuche, die Bedeutung des Umweltschutzes, der Architektur und des traditionellen Erbes zu vermitteln. Aus diesem Grunde wurden Renovierungsmaßnahmen durchgeführt sowie den Bewohnern Verantwortlichkeiten für einige Anwesen übertragen, in denen sie nun leben und deren Pflege sie übernommen haben. Der Residenzcharakter der Behausungen hat somit doch in großem Maße überlebt, während ein Großteil der Gärten wieder kultiviert werden.

Die Gegend um Kampos unterliegt heute, was Bebauung und Kultivierung angeht, eindeutigen Richtlinien und ist ein besonders ausgewiesener Bezirk von historischem Wert. Daher müssen alle Veränderungen an Bausubstanz und Umgebung eingereicht werden, ehe sie vor der Ratifizierung genau geprüft werden.